Wenn die Psyche auf dem Feld bleibt
Wenn die Psyche auf dem Feld bleibt
Viele Landwirt:innen in Österreich kämpfen mit psychischen Belastungen. Aktuelle Studien zeigen, dass Arbeitsbelastung, wirtschaftlicher Druck und Isolation das Wohlbefinden stark beeinträchtigen – und Hilfe die Betroffenen oft noch nicht erreicht.
In einer Untersuchung der Universität für Weiterbildung Krems, in Kooperation mit dem österreichischen Kompetenzzentrum für Futter– und Lebensmittelforschung (FFoQSI), wurden österreichweit Landwirt:innen zu ihrer psychischen Gesundheit befragt.
Starke psychische Belastung
Rund zwei Drittel der Teilnehmer:innen (67 %) geben an, sich im Alltag unter Stress und Druck zu fühlen. Die Hälfte berichtet über geringes Wohlbefinden und niedrige Lebenszufriedenheit (54 %). Etwa ein Drittel zeigt Anzeichen von Depression (28 %) oder Angststörungen (31 %).
Psychische Probleme bleiben oft lange unbemerkt – oder werden verdrängt. Doch die Daten zeigen, dass sie schwerwiegende Folgen haben können: Fast 20 % der österreichischen Landwirt:innen geben an, bereits Suizidgedanken gehabt zu haben. Damit liegt ihre Gefährdung deutlich über dem der Allgemeinbevölkerung (14 %).
„Manchmal habe ich einfach das Gefühl, dass mir alles zu viel wird. “
Die hohe Arbeitsbelastung trägt wesentlich dazu bei: mit jeder zusätzlichen Arbeitsstunde pro Woche steigt das Suizidrisiko um etwa 1 %! Besonders gefährdet sind alleinlebende Landwirt:innen und jene in wirtschaftlich angespannten Situationen. Viele haben das Gefühl, dass in ihrer Branche zu viele Dinge schieflaufen. Manche denken täglich an Suizid, und 2 % geben mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an, sich eines Tages das Leben zu nehmen.
Schutz können stabile familiäre Beziehungen, gegenseitige Hilfe in der Gemeinschaft und regelmäßige körperliche Aktivität außerhalb der Arbeit bieten – sie senken das Suizidrisiko um bis zu 40 %.
Der Wunsch nach Unterstützung
Trotz der hohen Belastung nutzt nur ein kleiner Teil der Landwirt:innen vorhandene Hilfsangebote. Etwa 32 % wünschen sich Unterstützung, doch nur 14 % erhalten oder nutzen tatsächlich Hilfe. Oft fehlen Zeit, Angebote oder Mut, einen Schritt zu setzen. Scham, Erschöpfung, und das Gefühl, alles allein bewältigen zu müssen verstärken die Hemmschwelle.
„Oft würde es schon helfen, wenn man sich einfach alles von der Seele reden könnte“
Viele Befragte nannten klare Wünschen nach praktischer Entlastung, etwa durch Beratung, Coaching oder Betriebshilfe, schon bevor Konflikte oder Überlastung auftreten. Dies würde auch den Wunsch nach Erholungsmöglichkeiten, wie Zeit für Urlaub, Freizeit und Freunde und Familie – sowie den Austausch über Sorgen, erfüllen. Auch der Zugang zu psychotherapeutischer oder psychosozialer Begleitung wird als wichtig, aber oftmals schwer zugänglich oder zu teuer beschrieben. Zudem fordern viele eine Reduktion bürokratischer Vorgaben, bessere agrarpolitische Unterstützung und mehr Wertschätzung für ihre Arbeit.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen deutlich: Viele Landwirt:innen in Österreich stehen psychisch stark unter Druck. Fast jede:r fünfte Landwirt:in berichtet über Suizidgedanken, etwa jede:r dritte über psychische Belastung, und zwei von drei, dass sie dauerhaft gestresst sind. Viele wünschen sich Hilfestellung, erhalten diese aber noch nicht.
Entscheidend sind daher leicht zugängliche, vertrauliche und alltagsnahe Hilfsangebote, die zur Lebensrealität der Betriebe passen. Psychische Gesundheit muss am Land ebenso selbstverständlich werden wie die Sorge um Boden, Tiere und Ernte.

Viktoria Neubauer, Austrian Competence Centre for Feed and Food Quality, Safety, and Innovation (FFoQSI GmbH)

Elke Humer, Department für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität für Weiterbildung Krems (Donauuniversität Krems).



